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Elektromobilität ist deutlich ökologischer, als der SWR behauptet

Und täglich grüßt das Murmeltier - mal wieder werden in einem öffentlich-rechtlichen Fernsehsender Falschaussagen über Elektroautos verbreitet, diese Woche ist der SWR dran.

 

Auf die vollkommen geschmacklose Aufmachung (ein junges Mädchen mit "Greta-Zöpfen" fährt ein offensichtlich nicht praxistaugliches Elektroauto und lässt Kinder im Kongo für sich schuften) werde ich nicht eingehen, es steht ja jedem Journalisten frei, wie ekelhaft er seine Beiträge gestaltet. Außerdem bietet der Beitrag ohnehin genug inhaltliche Angriffsfläche, auf die ich mich konzentrieren möchte:

In fett-kursiv jeweils das Zitat aus ihrem Beitrag, darunter die tatsächlichen Fakten und Links zu Quellen.

 

 

 

„Werden in der ohnehin schon trockenen Region enorme Mengen Wasser verbraucht“

 

So enorm sind die Mengen gar nicht, der Wasserbedarf für die Produktion eines Tesla-Akkus (bekanntlich ja die E-Autos mit der größten Reichweite) ist etwa auf einem Level mit einem Kilogramm Rindfleisch. Dazu kommt, dass es sich bei dem für die Lithiumproduktion eingesetzten Wasser um Salzwasser handelt – damit fangen die Menschen vor Ort also ohnehin nicht so wahnsinnig viel an.

 

Besser und in allen Details ausgeführt finden sich alle Infos dazu bei Prof. Dr. Volker Quaschning.

 

 

 

„Beim Pumpen, Ernten, Reinigen und von Lithium Verarbeiten wird jede Menge CO2 ausgestoßen. Da müssen die Lithium-Akkus erstmal Jahre im Auto ihren Dienst tun, bevor sie dem Verbrennungsantrieb überlegen sind, was die CO2-Bilanz angeht.“

 

Es stimmt, dass ein Akku einen sogenannten CO2-Rucksack hat, also einen Nachteil gegenüber einem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor. Dessen Abbau hängt nicht an Jahren, sondern an der Fahrleistung (das wird der Autor aber vielleicht indirekt gemeint haben) und lässt sich relativ gut beziffern, wird aber leider im Video nicht erwähnt: Bei einem Tesla Model 3 reden wir im Vergleich zu einer Mercedes C-Klasse von 30.000 Kilometern, die gefahren werden müssen, bis der CO2-Rucksack des Akkus abgebaut ist und das Elektroauto klimafreundlicher fährt als der Verbrenner. Die Lebensdauer von Akkus steigt immer weiter, schon alte Tesla Model S schaffen über 500.000 km auf einem Akku, neuere Modelle werden problemlos eine Laufleistung von einer Million Kilometer knacken. Dagegen sind die 30.000 km CO2-Malus überschaubar, oder?

 

 

 

 

„Je größer der Braunkohleanteil bei der Stromerzeugung für Elektroautos, desto mehr schrumpft der vermeintliche Ökovorsprung der Akkutechnik gegenüber dem Verbrennungsmotor. Der E-Motor kann bei der CO2-Bilanz nur dann punkten, wenn sein Strom nachhaltig erzeugt wird.“

 

Das ist zwar eine Binsenweisheit, aber deswegen natürlich nicht falsch. Allerdings ist das sowieso eine hypothetische Betrachtung, weil wir in Deutschland einerseits einen Kohleausstieg und andererseits bereits jetzt 50 % erneuerbare Energien im Strommix haben. Der Strom muss eben nicht zu 100 % aus Wind, Sonne oder Wasserkraft kommen, ein gewisser Anteil Ökostrom reicht bereits aus, damit das Elektroauto besser dasteht.

 

[Dazu passt ebenfalls die oben verlinkte Studie der TU Eindhoven, das Thema Strommix wird dort auch behandelt].

 

 

 

„Nun ja, der Dreck wird halt anderswo gemacht: Zum Beispiel im Kongo, wo das für den E-Antrieb so wichtige Kobalt gefördert wird, unter oft gefährlichen und menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen und mit Kinderarbeit.“

 

Diese letzten paar Sekunden sind nun wirklich völlig falsch, deswegen mehrere Unterpunkte.

  1. Es gibt bereits kobaltfreie Akkus, die werden schon gebaut und die Fahrzeuge damit auch schon ausgeliefert.
  2. Zwar ist der Kongo der weltgrößte Kobalt-Produzent (mit Abstand), das heißt aber nicht, dass die Autobauer dort auch alle ihr Kobalt kaufen. BMW holt sein Kobalt aus Marokko und Australien, wo nicht nur bessere Arbeitsbedingungen als im Kongo herrschen – es gibt dort auch keine Kinderarbeit.
  3. Auch im Kongo sinkt der Anteil an Kinderarbeit immer weiter: Kinder arbeiten nicht in den großen, legalen Minen, sondern im sogenannten Kleinbergbau. Dieser machte 2002 90 % der Produktion aus und betrug 2019 nur noch 20 %. Keine Frage, jedes Kind in einer Kobaltmine ist eins zu viel, aber das ist wahrlich nicht die Schuld von Elektroautos, im Gegenteil: Nur durch den öffentlichen Druck und durch das Handeln der Autobauer konnte Kinderarbeit so weit zurückgedrängt werden – bei Smartphones und Co., die ja auch Kobalt enthalten, hat das nämlich noch niemanden interessiert.
  4. Kobalt wird gar nicht nur für Akkus benutzt, sondern beispielsweis auch für die Entschwefelung von Rohöl, ergo für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Wie scheinheilig ist es da bitte, das Elektroauto zur Wurzel allen Übels hochzustilisieren, während Verbrenner genauso Kobalt brauchen?

 

Fazit: Einerseits haben sich die Bedingungen beim Kobaltabbau deutlich verbessert und andererseits kommen Elektroautos sowieso mittelfristig gänzlich ohne Kobalt aus – für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren wird es in der Öl-Raffinierung aber weiterhin gebraucht. Wem die Arbeitsbedingungen im Kongo wirklich ein ernsthaftes Anliegen sind, der setzt sich vielleicht besser gegen Verbrenner ein.

 

 

 

Dieser Text ging dem Autor Frank Wittig per E-Mail zu. Ggf. informiere ich hier über Reaktionen.

 

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Kommentare: 9
  • #1

    Matthias Götzke (Sonntag, 01 November 2020 17:35)

    Da fragt man sich ob Herr Wittig auch zur strategischen Kommunikationsstrategie der Benzin-Lobby gehört.

  • #2

    Stefan Simonis (Sonntag, 01 November 2020 22:12)

    Erstaunlich, wie man als Wissenschaftsjournalist die Fakten ignorieren kann. Der Filmbeitrag wärmt längst widerlegte Behauptungen auf und verbreitet Halbwahrheiten. Auch die Tatsache, dass E-Autos durch ihre deutlich höhere Effizienz trotz europäischen Strommix eine bessere CO2-Bilanz aufweisen, wird einfach unterschlagen. Und der stockende Ausbau der Windenergie hat nicht nur etwas mit gekürzten Subventionen zu tun. Ein bisschen die Methode Trump: Wenn man nur lange genug Unsinn erzählt, werden es die Leute irgendwann glauben. Vielen Dank für die Richtigstellung.

  • #3

    Josef Lolinger (Montag, 02 November 2020 01:23)

    Diese Art der Berichterstattung hat leider Tradition in den ÖR-Medien. Ich vermute das ist politisch so gewollt, denn die deutschen Autohersteller können und wollen in Sachen E-Mobilität noch nicht viel bieten. Bisher ist alles was sie bauen nur ein Feigenblatt, um die immer strenger werdenden Co2 Werte einhalten zu können. Deswegen ist z.B. der E-Up schon bis Ende 2021 ausverkauft, obwohl er erst ein paar Monate produziert wird. Ich denke die deutsche Autoindustrie wird bald in der Bedeutungslosigkeit verschwinden, aber sie hat es leider auch nicht anders verdient.

  • #4

    Jochen Stührmnn (Montag, 02 November 2020 12:35)

    'Only bad news are good news'? Dazu noch unrichtig. Das kann nicht der Informationsauftrag eines öffentlich-rechtlichen Senders sein!

  • #5

    Stephan (Berlin) (Montag, 02 November 2020 13:25)

    ... Bei aller Kritikwürdigkeit: ... Bitte achtet mal auf eure Formulierungen hier in Bezug auf die ÖR-Medien. Anderenfalls befürchte ich, spielt Ihr damit den Falschen in die Hände!

    ÖR-Medien geben nun mal nicht nur die eine - eure/meine - Meinung wieder, sondern eine Fülle von verschiedenen Meinungen. Das ist deren Auftrag, selbst wenn man das andere nicht höhren mag! ... Wenn man immer nur ein bestimmtes Magazin schaut mag das vielleicht den Anschein haben, aber das ist einfach nicht der Fall. ... Beispiel H. Lesch! Ich könnte mir Vorstellen, daß sich da z.B. viele Autofahrer nicht unbedingt immer Zuhause fühlen. ...

    Radikal und provokant Argumentieren ja! Aber laßt die Basching-Keule zuhause. ... Denn die überzeugt Keinen!

  • #6

    Christian Mens (Montag, 02 November 2020 13:51)

    Ich frage mich auch gerade, was wieder los ist, dass gerade gefühlt wöchentlich E-Autos Bashing Videos in den Öffentlich-Rechtlichen erscheinen. Erst beim NDR gleich zweimal im Oktober und jetzt im SWR. Die Instrumentalisierung des E-Autos für die Kinderarbeit nervt tierisch. T Shirts, Pullover, Jacken, Schuhe,... werden massenweise konsumiert und weggeworfen in Zeiten der Turbomoden. Hingegen ein Akku ist recyclebar und hält Jahrzehnte. Das soll nicht die schlechten Arbeitsbedingungen rechtfertigen, aber beim E-Auto ist das Problem wesentlich besser lösbar.

  • #7

    Hanna (Dienstag, 03 November 2020 22:08)

    Sind das noch die Auswirkungen vom Battery Day oder steht eine große politische Entscheidung an die ich verpasst habe?

  • #8

    Casimir (Donnerstag, 12 November 2020 17:50)

    Stimmt zwar, dass die ÖRs gerade echt kein gutes Bild abgeben - die privaten sind aber keineswegs besser, eher im Gegenteil.
    Erinnere mich da an einen Pro7-Beitrag (parodiert bei Carmaniac) bei dem so ein absolut unrealistischen Horrorszenario dargestellt wurde. Dauernd Stromausfälle und Schulen wurden geschlossen, weil das ganze Geld in Elektro-Subventionen oder so geflossen ist. Richtig übel �

  • #9

    Stefan Weh, VCD e.V. (Mittwoch, 18 November 2020 02:28)

    Ich nehme öffentlich oft "böses Co", nicht jedoch "böses Cu und Ni" wahr. Da stimmt doch was nicht ;-) Kobalt wird quasi sowieso gefördert, weil es zusammen mit anderen Elementen vorkommt.
    Ich habe grad eine Quelle wiedergefunden, die die Größenordnung darstellt: "... obwohl das Metall nur ein Nebenprodukt ist. Kobalt wird zu weit über 95 Prozent im Verbund mit Kupfer und Nickel zu Tage gefördert." 15.8.2019 https://efahrer.chip.de/news/kobalt-reserven-diese-laender-verfuegen-ueber-die-groessten-mengen_101115