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Von vermeintlich toten Märkten und schlechtem Journalismus

Die Tagesschau zeigt mal wieder, wie man es nicht macht. Der Gebrauchtwagenmarkt für Elektroautos sei tot, wird da aktuell postuliert (siehe hier). Was natürlich völliger Blödsinn ist, aber das hält die Tagesschau freilich nicht davon ab, diese falsche These mit noch falscheren "Argumenten" zu untermauern.

So heißt es, "nur" 97.000 gebrauchte E-Autos wechselten in Deutschland jährlich den Besitzer, "nur" 1,6 % des gesamten Gebrauchtwagenmarktes. Eine niedrige Zahl, ja - aber auch eine völlig nutzlose, wenn man sie nicht in Relation zum Neuwagenmarkt setzt (Gebrauchtwagen fallen nicht vom Himmel, sondern kamen irgendwann mal als Neuwagen in den Markt). Ich habe deswegen etwas gemacht, was man bei der Tagesschau vergessen hat: Recherchiert. Ergebnis:

Neuzulassungen Elektroautos (BEV) in % am Gesamtmarkt, lt. KBA
2018: 1,0
2019: 1,8
2020: 6,7
2021: 13,6

Und schon sehen 1,6 % BEV-Anteil im Gebrauchtwagenmarkt gar nicht mehr so niedrig aus - im Gegenteil, die Menge passt recht gut zum BEV-Anteil der Neuzulassungen vor vier bis fünf Jahren.

Noch größerer Unfug war es aber, dass der Tagesschau-Reporter eine Autohändlerin besucht hat, die versuchte, einen E-Golf für 19.000 €(!) zu verkaufen. Komischerweise will den niemand. Ihr Fazit: Der Markt sei tot. "Nachfrage gleich null". Das bleibt dann ohne Einordnung oder kritisches Hinterfragen so stehen. Völlig klar: Wenn ein Verkäufer einen überhöhten Preis nicht realisieren kann, ist der Markt "tot". Das Prinzip von Angebot und Nachfrage kennt man bei der Tagesschau leider nicht (warum auch, trotz solch fragwürdiger Inhalte werfen wir denen ja jedes Jahr sehr viel Geld hinterher, quasi ein bedingungslose Grundeinkommen). Man hätte ja auch erwähnen können, dass auf den gängigen Portalen jede Menge E-Gölfe für 12.000 - 15.000 € zu haben sind - aber das hätte den gesamten Besuch bei der Autohändlerin samt ihrer Aussage ja ad absurdum geführt - vielleicht hat man es deswegen weggelassen?

Natürlich gibt es auch gute Ansätze. Dass kaum ein Händler heute einen SoH ausweist (und viele auch gar keinen Plan davon haben), ist ein Problem und das muss sich ändern. Und natürlich sieht man an den überhöhten Preisen vor allem eines: Dass neue E-Autos schneller besser werden, als man dachte und viele sich mit ihren Restwerten verspekuliert haben. Kann man sachlich drüber berichten, alles wichtige Themen. Aber aus dieser differenzierten Sachlage dann mit sehr dünnen Argumenten: "niemand will gebrauchte E-Autos" ableiten, das ist nicht nur falsch, sondern vor allem der Tagesschau, die ja gerade nicht auf Klicks und plumpe Schlagzeilen angewiesen ist, unwürdig. Das geht besser!

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