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Diesel, eMobilität und Bundestagswahl

Es ist Wahlkampf und alle Parteien sind sich einig, Fahrverbote müssen verhindert werden. Das ist natürlich richtig, die Dieselfahrer können schließlich nichts für die kriminellen Machenschaften der Automobilindustrie. Die Gründe und die Wege dorthin sind jedoch sehr verschieden. Man hat nun also ein polarisierendes Thema gefunden und es kommt Schwung in den Wahlkampf. Na endlich! Ein Kommentar eines Erstwählers.

 

 

 

Die AfD und Teile der CDU/CSU stellen die Stickoxid-Grenzwerte grundsätzlich in Frage und wollen Fahrverbote dadurch verhindern, dass man die Grenzwerte einfach den Ist-Werten in unseren Städten anpasst. AfD-Spitzenkandidatin Weidel behauptete gar, dass die Grenzwerte in Büroräumen um ein Vielfaches höher seien als auf den Straßen. Und weil die Menschen doch viel länger im Büro als auf der Straße seien, sind die Grenzwerte für Außenluft völlig realitätsfern. Klingt logisch – leider hat Frau Weidel Industriearbeitsplätze und Büroräume verwechselt. Die von ihr angeführten 950µg/m³ gelten nämlich nur an Arbeitsplätzen, an denen durch die Arbeit Stickoxide freigesetzt werden (z.B. bei speziellen Schweißvorgängen). Dort halten sich körperlich gesunde Menschen in begrenzten Zeiträumen und unter regelmäßiger medizinischer Kontrolle auf. In Büroräumen gilt mit 60µg/m³ „nur“ der anderthalbfache Wert der 40µg/m³ für die Außenluft – und dieser soll bald ebenfalls auf 40µg/m³ abgesenkt werden.

 

Die anderen Parteien zweifeln die Grenzwerte nicht an und wollen die Fahrverbote anderweitig verhindern. Dabei hat vor allem die CDU (und noch mehr die CSU) nach dem Dieselgipfel auf die Software-Updates gesetzt, deren Wirkung sowohl von der Deutschen Umwelthilfe, als auch vom Umweltbundesamt und dem Verwaltungsgericht Stuttgart als sehr gering eingeschätzt wird. Einzelne Unionspolitiker stellten diese Updates nach dem Dieselgipfel als Großzügigkeit dar und Matthias Müller machte klar, dass es keine Hardware-Nachrüstungen geben wird. Gott sei Dank entscheiden in unserem Land immer noch Gerichte über die Frage, in welchem Umfang Unternehmen für fehlerhafte Produkte haften müssen (bzw. ob diese fehlerhaft sind) – und nicht etwa der VW-Chef oder Alexander Dobrindt.

 

Die FDP, die Grünen und die Linken sowie Teile der SPD fordern Hardware-Nachrüstungen für Diesel, die die Grenzwerte nicht einhalten – natürlich auf Kosten der Automobilindustrie. Kanzlerin Merkel vertrat im ZDF-Sommerinterview eine ähnliche Position – und damit das Gegenteil von dem, was ihr Verkehrsminister nach dem Dieselgipfel von sich gab.

 

 

 

Wie werden die zweifelsohne nötigen Hardware-Nachrüstungen durchgesetzt? Wohl durch Klagen und Richtersprüche. Damit nicht jeder betroffene Dieselfahrer einzeln vor Gericht ziehen muss, wollte die SPD eine Musterfeststellungsklage einführen. Auf den ersten Entwurf schrieb Verkehrsminister Dobrindt: „Lehnen wir ab!!! Komplett streichen!“.

 

Angela Merkel erklärte im Sommerinterview, dass es da eben ein paar Unstimmigkeiten gebe und man das auf jeden Fall nach der Wahl angehen werde.

 

Zur Position der AfD zu Sammelklagen habe ich leider keine Informationen gefunden, die FDP scheint mehrheitlich dafür zu sein, die SPD sowieso (der Gesetzentwurf stammt schließlich von Heiko Maas), Linke und Grüne auch. Schön und gut, dass vor allem die linken Parteien die Union kritisieren – mir stellt sich dennoch die Frage, warum man die Sammelklage nicht wie die Ehe für Alle gegen die Stimmen von CDU/CSU durchgeboxt hat.

 

SPD, Grüne und Linke hätten zusammen eine Mehrheit dafür und obendrein wäre das im Wahlkampf doch eine tolle Möglichkeit für Martin Schulz, sich als Kämpfer für den kleinen Mann zu inszenieren. Warum hat man diese Chance nicht ergriffen? Und wie soll der kleine Mann Martin Schulz jetzt noch ernst nehmen?

 

 

 

Zu guter Letzt noch etwas zur Debatte um ein fixes Enddatum für den Verbrennungsmotor: Die AfD fordert eine „Dieselgarantie“ bis 2050 und beruft sich dabei auf Fakten, die keine sind. Mir stellt sich nur die Frage: Wenn Elektroautos in den nächsten 33 Jahren mindestens die gleiche Entwicklung wie in den letzten 33 Jahren machen (Preissenkung, Reichweitenzuwachs, kürzere Ladezeiten, etc.) – was spricht dann bitte 2050 noch für einen Diesel? Nichts. Wer will sich dann noch einen Diesel kaufen? Nostalgiker und Technik-Fans vielleicht. Braucht man für sowas eine Dieselgarantie? Ich denke nicht. Die Forderung, Fahrverbote grundsätzlich zu verhindern, kann die AfD wohl kaum umsetzen, denn das entscheiden die Gerichte. Die einzige Möglichkeit wäre eine Anhebung der Grenzwerte – ob sich dafür nach der Wahl eine Mehrheit im Bundestag findet? Werden wir sehen.

 

Bei der Union glänzen CSU und CDU mal wieder nicht durch gleiche Positionen: Während Merkel zwar kein Enddatum nennen will, sieht Sie zumindest ein, dass der Verbrennungsmotor nur noch eine Brückentechnologie sein kann. Der Hinweis, dass wir ihn noch Jahrzehnte brauchen, mag vielleicht für einzelne Spezialfälle gelten – nicht aber für die breite Masse der Autofahrer. Horst Seehofer hingegen wird nicht in eine Koalition gehen, in der ein fixes Enddatum für Verbrenner aufgestellt wird. Will er also auf immer und ewig mit fossilen Antrieben unterwegs sein, egal was die restliche Welt macht? Oder ist das nur ein krampfhafter Versuch der Bayern, sich von Merkel zu distanzieren?

 

Die FDP fordert (wie einige andere Parteien auch, allerdings besonders deutlich) „Technologieoffenheit“ beim Wettbewerb um das Antriebskonzept der Zukunft. Schön und gut, aber warum sagt man dann nicht dazu, dass der Dieselkraftstoff durch die niedrigere Besteuerung einen unfairen Vorteil hat? Ist das „technologieoffen“? Ich würde diese Aussage ganz grundsätzlich in Frage stellen und einen Vergleich ziehen: Hätte die finnische Regierung Nokia verboten, nach 2010 noch Tastenhandys zu exportieren, wären sie gezwungen gewesen, Smartphones zu bauen und wären womöglich heute noch ein wichtiger Player auf dem Weltmarkt. Ähnlich ist es bei unserer Autoindustrie: Das Rennen um den Antrieb der Zukunft ist entschieden: Es wird der Elektromotor – höchstwahrscheinlich mit einer Batterie dahinter (für manche Nischenanwendungen womöglich mit Brennstoffzelle). Der Verbrennungsmotor hat keine Zukunft: Selbst, wenn man das Stickoxid-Problem löst, stößt er immer noch CO2 aus. Und ganz nebenbei wird auch das Öl immer knapper. Für Kunststoffe und Medikamente haben wir keine Alternative zum Öl – es einfach zu verbrennen ist die denkbar dümmste Anwendung! Bevor jemand mit synthetischen Kraftstoffen kommt: Große Verluste bei der Erzeugung, große Verluste bei der Verbrennung und weiterhin ein sehr verschleißanfälliger Motor. Vielleicht in Flugzeugen, wo das hohe Gewicht von Akkus ein Problem sein könnte – aber sicher nicht im PKW.

 

Der Wohlstand unseres Landes hängt zu einem beträchtlichen Teil von der Automobilindustrie ab. Wenn diese Industrie die Zeichen der Zeit nicht selbst erkennt, muss man ihr auf die Sprünge helfen. Alles andere wäre unfair den hunderttausenden Beschäftigten gegenüber.

 

 

 

Die Position der SPD ähnelt der der CDU und FDP: Technologieoffenheit ist wichtig, irgendwann ist die Zeit des Verbrenners zu Ende – aber ein konkretes Datum wird nicht genannt, laut Martin Schulz würde das alle nur verunsichern. Das Gegenteil ist der Fall: Das aktuelle Herumeiern der beiden Volksparteien verunsichert Industrie, Arbeitnehmer und Autokäufer. Ein fixes Enddatum schafft Klarheit für alle. Wir haben in Deutschland die besten Ingenieure der Welt – die können nicht nur die besten Verbrennungsmotoren entwickeln und bauen, sondern auch die besten Elektrofahrzeuge. Wenn sie von ihren Chefs die Anweisung dazu bekommen. Und wenn diesen Männern der nötige Weitblick fehlt, muss die Politik einspringen.

 

 

 

Die Linken und Grünen sind beide für ein Verbot von Verbrennungsmotoren ab 2030 – sehr gut. Allerdings sind die Linken gegen private Kaufzuschüsse für Elektroautos und haben lange gefordert, sich auf die Elektromobilität auf der Schiene statt auf der Straße zu konzentrieren. Ist das wirklich ernst gemeint?

 

 

 

Die Grünen haben ein überzeugendes Konzept, der Wahlslogan: „Zwischen Umwelt und Wirtschaft gehört kein oder.“ Spricht Bände, schließlich haben die Menschen nur etwas von ihrem Arbeitsplatz, wenn die Umwelt lebenswert ist und umgekehrt kann sich ein Arbeitsloser von sauberer Luft nichts zu essen kaufen – langfristig funktionieren Ökonomie und Ökologie nur zusammen. Bei vielen Forderungen der SPD frage ich mich, warum diese nicht in den letzten vier Jahren umgesetzt wurden, nachdem die SPD ja Teil der Bundesregierung ist. Bei den Grünen kann man diese kritische Frage zwar nicht auf Bundesebene, wohl aber mit Blick nach Baden-Württemberg stellen: Hier ist Deutschlands erste und einziger grüner Ministerpräsident in seiner mittlerweile zweiten Amtszeit und statt selbst mit der eigenen Fahrzeugwahl ein Zeichen für die Elektromobilität zu setzen, kauft er sich einen Diesel – schließlich braucht er „a gescheides Auto“, um auch mal eine Tonne Sand ziehen zu können. Warum um Himmels Willen kauft sich ein Grüner, um ab und zu einen Anhänger zu ziehen, einen Diesel? Dafür gibt’s doch Carsharing. Wenn Herr Kretschmann diese Argumentation konsequent durchziehen würde, müsste er auch einen LKW haben, schließlich zieht man ja ein paar Mal im Leben um.

 

Ich würde die Grünen gerne wählen – aber die grüne Landesregierung in Baden-Württemberg macht es mir schwer, die Grünen auf Bundesebene ernst zu nehmen.

 

 

 

 

 

Was wähle ich nun? Keine Ahnung. Zwar kann ich mich mit manchen Parteien mehr identifizieren als mit anderen – wirklich überzeugt hat mich aber bis jetzt keine. Vor allem bei CDU und SPD finde ich das Herumeiern unerträglich. Gerade die SPD zeigt, dass man Wähler auch verjagen kann, in dem man krampfhaft versucht, allen zu gefallen. Das treibt die Menschen zu Protestparteien, sorgt für ungünstige Mehrheiten und führt in die nächste Groko.

 

Zeigt endlich klare Kante! Ich bin 17 Jahre alt, werde vor der Bundestagswahl 18 und hätte die beste Automobilindustrie der Welt gerne immer noch in Deutschland, wenn ich alt bin. Dafür muss aber endlich jemand handeln. Die Industrie wird es aus eigenem Antrieb nicht tun – es braucht Anreize aus der Politik. Bevor es zu spät ist.

 

 

 

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