Bilanz zur Fach- und Ideenkonferenz Elektromobilität der Bundesregierung
Vor einem Jahr, im Juni 2015 betonten alle Teilnehmer der nationalen Konferenz Elektromobilität, Deutschland sei mit seiner Vielzahl an elektrifizierten Modellen Leitanbieter und müsse nur noch Leitmarkt werden. Um das bcc fuhren damals 103 private Tesla Model S und Roadster, um zu zeigen, wer wirklich Leitanbieter ist. Jetzt, nach nur einem Jahr, hat das auch die Politik verstanden: Das Wort „Leitanbieter“ hörte man kaum noch, auch von den knapp dreißig „Elektro“-Fahrzeugen von deutschen Herstellern (= Plug-In Hybride) war nur selten die Rede. Stattdessen gab es sogar so etwas Ähnliches wie Kritik an unseren OEMs. CDU-Mann Steffen Bilger MdB sprach offen aus, dass die deutsche Automobilindustrie ein Problem hat, wenn nach Norwegen noch weitere Länder wie z.B. China den Verbrenner verbieten. Valerie Wilms MdB (Bündnis 90/ die Grünen) erzählte von einem „kalifornischen Hersteller, der alles auch ohne Förderungen geschafft hat“ und EU Digital-Kommissar Günther Oettinger „traut Tesla einiges zu“.
Frank Iwer von der IG Metall schrieb in einem Statement im Programmheft der Konferenz: „Jetzt sind die Unternehmen gefordert, in Fertigung und Wertschöpfung zu investieren, damit nicht die Beschäftigten die Verlierer des Technologiewandels werden. Dabei spielt die Batteriezellenfertigung eine wichtige Rolle, auch weil sonst die Abhängigkeit von ausländischen Herstellern zementiert wird."
Dr. Axel Thielmann (Fraunhofer ISI) betont, die optimierte Lithium-Ionen-Batterie sei „DIE Schlüsseltechnologie für unsere zukünftige Mobilität“. Trotzdem hat die Automobilindustrie Angst vor Fehlinvestitionen in die falsche Akkutechnologie und investiert stattdessen wie beispielsweise Daimler 2,6 Milliarden Euro in den „sauberen“ Diesel (klingt wie „schwarzer Schimmel“ oder „geräuscharmer Düsenjäger“) – sowas ist mit Sicherheit eine Fehlinvestition!
Forschung, Gewerkschaften und Politik haben also verstanden, dass die Elektromobilität enorme Chance und Risiko zugleich ist: Mit einer Zellfabrik können neue Arbeitsplätze entstehen - machen die deutschen Hersteller aber weiter wie bisher, gehen viele tausend Arbeitsplätze verloren. Günther Oettinger hat das treffend auf den Punkt gebracht: Man braucht den Kolben von Mahle, das Getriebe von ZF und den Kühler von Behr nicht mehr.
Anders sah es auf Seiten der Autobauer aus, so behauptete VDA Geschäftsführer Kay Lindemann, das Elektroauto tauge vor allem als Cityflitzer, für die Langstrecke sehe man den Plug-In Hybrid als Lösung. Natürlich ist ein smart electric drive, ein Renault Zoe oder der BMW i3 für die Stadt konzipiert, hier trifft der Begriff „Cityflitzer“ zu. Die deutsche Automobilindustrie verdient ihr Geld aber nicht mit „Cityflitzern“, sondern mit teuren Oberklassefahrzeugen. In diesem Segment ist Tesla Vorreiter, das haben fast alle Redner zur Sprache gebracht. Unseren Autobauern scheint (immer noch) egal zu sein, dass viele Arbeitsplätze wegfallen, wenn keine Verbrennungsmotoren mehr gebaut werden, trotzdem traut sich niemand, in eine Zellfabrik zu investieren, die viele neue Arbeitsplätze schaffen würde.
In seinem Statement vor der Konferenz sagte Lindemann: „dass vom Bundeskabinett auf den Weg gebrachte Gesamtpaket aus direkter Förderung, Investitionen in die Ladeinfrastruktur und der Beschaffungsinitiative der öffentlichen Hand hat die Grundlage geschaffen, die Elektromobilität als klimafreundliche Mobilität der Zukunft auf deutschen Straßen zu etablieren.“ Nun könnte man natürlich annehmen, in logischer Konsequenz seien nun die Hersteller am Zug. Aber offensichtlich denken die deutschen OEMs nicht logisch, sonst würden sie schon längst für die breite Masse erschwingliche Fahrzeuge mit kurzer Ladezeit und hoher Reichweite bauen – aber das wäre wohl zu einfach.
„Das Automobil steht vor einem tiefgreifenden Wandel. Dabei muss Deutschland die Nase vorn haben. Industrie, Wissenschaft und Politik sollten sich jetzt rasch auf gemeinsame Ziele von Forschung, Entwicklung und Erprobung verständigen. (…)“ so Michael Meurer, Leiter der Forschungsförderung bei BMW. Anscheinend hat noch niemand Herrn Meurer informiert, dass es seit Jahren die Schaufensterprojekte gibt, in denen ausgiebig geforscht wurde und wird. Als Elektrofahrer fragt man sich außerdem, was noch erprobt werden muss? Dass wir mit unserem Tesla Model S in siebeneinhalb Stunden von Stuttgart nach Berlin fahren können (natürlich inklusive Ladezeit!) und es 2015 102 weitere Teslafahrer uns gleichgetan haben, sollte wohl jedwede Erprobung obsolet machen. Bleibt noch die Entwicklung. Auch hier sollten die gemeinsamen Ziele eigentlich klar sein: für die breite Masse erschwingliche Fahrzeuge mit kurzer Ladezeit und hoher Reichweite bauen – ist das denn so schwierig zu begreifen, dass man sich da nochmal verständigen muss?
Was bleibt nun von dieser Fach- und Ideenkonferenz Elektromobilität? Bis auf die Vertreter der Automobilindustrie sind alle von der Meinung, die deutschen Autobauer seien führend bei Elektrofahrzeugen abgerückt. Die letztes Jahr geforderte Kaufprämie ist da, zu forschen gibt es nichts mehr – wenn doch noch Fragen offen sind konsultiert man einfach Praxisanwender. Die Ladeinfrastruktur wird mit Hochdruck aufgebaut (dabei folgt man dem Vorbild Tesla, viele neue Schnelllader stehen nämlich neben Superchargern) und mit Norwegen hat das erste Land der Welt entschieden, Verbrenner schon 2025 zu verbieten. Hinter welchem Argument will sich die Automobilindustrie noch verstecken? Die E-Fahrzeuge sind längst besser als Verbrenner und laut Thomas Burkhardt, Vizepräsident Technik des ADAC bevorzugt die Bevölkerung sogar reine E-Autos anstelle von PHEV.
Eigentlich braucht es nur noch zwei Dinge, um die Elektromobilität in Deutschland massentauglich zu machen:
1. Die Hersteller müssen endlich einsehen, dass der Verbrennungsmotor tot ist. Tesla zeigt, dass reine Elektroautos auch für die Langstrecke taugen, somit haben Benziner und Diesel Ihre Daseinsberechtigung endgültig verloren und gehören neben Dampflokomotiven, Schreibmaschinen, Röhrenbildschirme und konventionelle Mobiltelefone: Ins Museum!
2. Aus den Erkenntnissen der Politiker müssen nun Taten werden: Die Regierung muss neue Ladeinfrastruktur aufbauen und die bestehende Infrastruktur deutlich besser zugänglich machen (zugeparkte E-Tankstellen und komplizierte Abrechnung gehören wohl zu den größten Hindernissen auf dem Weg zur Vision 2020).
Außerdem muss Druck auf die Automobilindustrie ausgeübt werden. Neben strengeren Grenzwerten (selbstverständliche unter realen Verbrauchszyklen!) müssen Politiker öffentlichkeitswirksam Tesla fahren. Natürlich muss die Politik unsere Autobauer fördern. Förderung heißt aber nicht, zu sagen: „das hast Du aber toll gemacht“, wenn die Konkurrenz besser ist. Förderung heißt, der Industrie ihre Fehler zu zeigen, damit Verbesserungen gemacht werden können. Und im Moment bietet sich dafür eben Tesla fahren an.
Diese zwei Dinge sind große Aufgaben für die OEMs, die die Politik einfordern muss. Ein Schüler sieht keinen Grund auf eine Klassenarbeit zu lernen, wenn der Lehrer pauschal immer eine 1 dafür gibt – bekommt ein Schüler aber laufend schlechte Noten, tut er (in den meisten Fällen) etwas dagegen. Genauso wird die Industrie erst handeln, wenn man Sie dazu zwingt!
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